2 - Sozialpolitik [ID:3745]
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Dieser Audiobeitrag wird von der Universität Erlangen-Nürnberg präsentiert.

Ich begrüße Sie heute zur Vorlesung Sozialpolitik.

Wie gestern dann nochmal per Mail angekündigt, dass er sich relativ kurzfristig ergeben, fangen wir 10.30 Uhr an auf die nächsten Veranstaltungen.

Schon mal vorab weise ich Sie darauf hin, dass erstens nächsten Dienstag vorlesungsfrei ist, genauso wie übrigens auch der Gründonnerstag, weil da auch immer wieder Leute nachfragen, wie das mit den Veranstaltungen ist.

Die Vorlesung insofern am nächsten Dienstag auch nicht stattfindet. Und am 29. April, also in zwei Wochen in dem Raum Personalversammlung ist, was auch bedeutet, dass die Vorlesung nicht stattfinden wird.

Wir also erst in drei Wochen weitermachen.

Gut, inhaltlich sind wir letzte Woche im Thema Geschichte des Sozialstaats stehen geblieben bei Sozialstaat des 20. Jahrhunderts.

Die Folie kennen Sie schon, Sie haben in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, insbesondere in der Zwischenkriegszeit, einen relativ umfangreichen Ausbau des Sozialstaates nochmal erlebt.

Infolge der Umstürze, die es insbesondere in Europa gegeben hat, in den USA, infolge der New Deal Politik dann in den 1930er Jahren, erst einen tatsächlichen Ausbau des Sozialstaates.

Die Nachkriegszeit ist für Deutschland geprägt von einer Diskussion, die für die Sozialstaatsdebatte für Deutschland zumindest bis heute eine relativ große Bedeutung hat und die für Sie, falls Sie Lehrer oder Lehrerin werden, auch für den Unterricht eine größere Bedeutung haben kann, weil das werden Sie unterrichten müssen.

Das ist das Thema und die Begrifflichkeit soziale Marktwirtschaft, die das Wirtschafts- und Gesellschafts- und Sozialsystem Deutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg beschreiben soll, was nicht so ganz einfach ist, weil die Begrifflichkeit soziale Marktwirtschaft eine sehr schillernde und eine sehr uneindeutig definierte ist.

Wenn Sie sich politische Debatten um die Frage Sozialpolitik anschauen, wird Ihnen möglicherweise schon mal aufgefallen sein, dass Sie Politikerinnen und Politiker ganz unterschiedlicher Strömungen und politischer Richtungen haben, die weitreichende Veränderungen des deutschen Sozialstaates fordern und sich jeweils darauf berufen, dass es notwendig sei, sich auf das Konzept der sozialen Marktwirtschaft zurückzubezinnen.

Dass das geht, also dass Sie sowohl ein früher Guido Westerwelle oder Philipp Rösler für die FDP als auch gleichzeitig Oskar Lafontaine oder Gregor Gysi für die Linkspartei das gleiche Argument bringen, aber damit etwas unterschiedliches naheliegenderweise meinen, hat sehr viel damit zu tun, dass es keine so richtig eindeutige Definition des Begriffes soziale Marktwirtschaft gibt, dass Sie, dass diese Begrifflichkeit tatsächlich

so eine Art Claim geworden ist, der sehr unterschiedlich und sehr vielfältig verwendet wird.

Dieses Problem des Begriffes liegt schon in der Frühzeit, weil bereits die beiden Personen, denen man üblicherweise zuschreibt, auch zu Recht zuschreibt, dass sie diesen Begriff in Anführungszeichen mal erfunden hätten.

Die beiden Ludwig Erhard wie Alfred Müller-Ahmag ebenfalls unterschiedliche Vorstellungen hatten, was soziale Marktwirtschaft eigentlich genau bedeuten soll.

Der Begriff populär geworden ist durch Ludwig Erhard, Alfred Müller-Ahmag, der ihn mal erfunden hat, tatsächlich derjenige, der als Erster gebraucht hat, aber ganz andere oder zumindest konzeptionell andere Vorstellungen damit verbunden hat.

Gut, Sie haben die beiden Begrifflichkeiten, wie gesagt, die Begrifflichkeit im Sinne Alfred Müller-Ahmags und im Sinne Ludwig Erhard.

Der Begriff der Erhard, Alfred Müller-Ahmag, kommt aus der ordoliberalen Schule, zumindest aus dem Umfeld, die insgesamt die Wirtschaftspolitik der 1950er-, 1960er-Jahre, auch der 1970er-Jahre noch geprägt hat in Deutschland.

Die ordoliberale Schule ist eine Strömung des Neoliberalismus, die sogenannte Freiburger Schule, weil sie sich um eine Reihe von Freiburger Ökonomen konzentriert hat. Franz Böhm und Walter Eucken sehen Sie auf der Folie eine ganze Reihe weiterer auch.

Den Namen selber hat sie von der Zeitschrift, die sie herausgegeben hat und die es übrigens bis heute gibt, die den Namen Ordo trägt, daher dann die Begrifflichkeit des Ordoliberalismus.

Der Ordoliberalismus ist wie der Neoliberalismus und für den Neoliberalismus ist eigentlich eine interessante Geschichte. Ursprünglich mal ein liberaler ökonomischer Ansatz gewesen, der gesagt hat, dem Staat kommt dem Wirtschaftssystem eine deutlich umfangreichere Rolle zu, als nur den Rechtsrahmen zu gewährleisten.

Insbesondere geht es bei den Aufgaben staatlicher Politik und im Markt darum, den Wettbewerb zu gewährleisten. Das heißt aber in der Konsequenz auch, und das hatte der klassische Liberalismus so nicht gesehen, dass es Aufgaben des Staates gibt, bei Fehlentwicklungen des Marktes einzugreifen,

beispielsweise bei Konzentrationsprozessen, die die Zwischenkriegszeit sehr stark geprägt haben, der Trend dazu immer größere und damit immer marktmächtigere Unternehmen zu gründen.

Das ursprüngliche liberale Argument war, wenn sich der Markt einstellt mit dem Trend zur Monopolisierung, dann ist das die Marktentwicklung und der Staat hat sich da rauszuhalten. Die Erfahrung der Zwischenkriegszeit, was das auch bedeutet, nämlich eine sehr starke Verkrustung des Wirtschaftssystems, ein nicht mehr funktionierender Wettbewerb,

hat dann das Aufkommen des Neoliberalismus in dem Sinne befördert zu sagen, man braucht sehr wohl Eingriffe in den Markt, um Wettbewerb zu gewährleisten, beispielsweise die Auflösung von Kartellen oder von Monokolen.

In dem Kontext bewegt sich auch Müller-Ahmag in einem noch etwas weiteren Verständnis von Markteingriffen, die auch die ordonimerale Schule in Teilen vertreten hat, nämlich der Frage, dass es nicht nur um die Gewährleistung von Wettbewerb in dem Sinne geht, Kartelle oder Monopole aufzulösen,

sondern dass es auch um Fragen geht, die Stabilität der Marktwirtschaft auch unter sozialpolitischen Gesichtspunkten zu gewährleisten, auch das aus Erfahrungen der Zwischenkriegszeit heraus.

Müller-Ahmag ist derjenige, der den Begriff nachweislich das erste Mal verwendet hat, in einer 1946 erschienenen Schrift von ihm.

Er selbst war Soziologe und Ökonom mit einer ganz spannenden und interessanten Laufbahn, der ursprünglich sich in Anfang der 1930er Jahre schon mit sozialpolitischen und wirtschaftspolitischen Fragestellungen befasst hat,

während des Dritten Reiches zur Religionssoziologie gewechselt ist, damit sehr wenig mit seinem eigentlichen Themenfeld zumindest offiziell zu tun hatte und da 1946 diesen Begriff der sozialen Marktwirtschaft geprägt hat.

Sie werden zur Übung einen Text lesen, wo auch die Biografie und auch der Hintergrund noch mal etwas genauer beschrieben wird.

Alfred Müller-Ahmag war dann Weggefährte von Ludwig Erhard, in dessen Zeit im Bundeswirtschaftsministerium war ab 1952 dort Leiter der Grundsatzabteilung, 58 bis 63 dann Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium.

Alfred Müller-Ahmag postuliert, dass Markt und Sozial sich in einem Spannungsverhältnis befinden, sich einerseits eigentlich ausschließen, andererseits aber auch gegenseitig bedingen

und dass es dann die Aufgabe der Sozialpolitik und der sozialen Marktwirtschaft ist, dieses Spannungsverhältnis aufzulösen und zu einer konstruktiven Gesamtsituation zu führen.

Zentral für Alfred Müller-Ahmag ist, wie übrigens auch für Ludwig Erhard, erst mal die These, die in der Zeit nicht unumstritten ist übrigens,

dass Wohlstand nur über einen funktionierenden Markt und nur über eine Marktwirtschaft geschaffen werden kann.

Wir haben in der Zeit, in der Alfred Müller-Ahmag schreibt, 1946, auch in der Zeit davor, in der er sich mit den Fragen schon befasst hat,

auch Anfang der 1930er Jahre, Ende der 1920er Jahre und davor, ja durchaus die noch sehr tiefgehende Diskussion darüber,

ob Marktwirtschaft tatsächlich das optimale Wirtschafts- und Gesellschaftssystem ist oder ob es nicht andere Wirtschaftssysteme,

insbesondere sozialistische Wirtschaftssysteme gibt, die in der Lage sind, mehr Wohlstand zu schaffen, als es der Markt und die Marktwirtschaft ist.

Alfred Müller-Ahmag beantwortet die Frage damit, dass die Marktwirtschaft diejenige sei, die Wohlstand schafft und am höchsten und am besten Wohlstand schaffen kann,

dass deswegen die Marktwirtschaft das notwendige Wirtschaftssystem für eine Gesellschaft sei, die Wohlstand generieren will.

Alfred Müller-Ahmag problematisiert dann aber, dass die Marktwirtschaft Wohlstand schafft und das optimale System ist, Wohlstand zu schaffen,

dass die Marktwirtschaft aber auch dafür sorgt, dass dieser Wohlstand ungleich verteilt ist.

Diese Ungleichheit problematisiert Müller-Ahmag teilweise aus ethischen Überlegungen heraus, also im normativen Bereich ist diese Verteilung gerecht oder ungerecht

und gibt es einen Auftrag, ungerechte Verteilungen zu korrigieren.

Müller-Ahmag hat aber auch ein zentrales politisches Argument, das er mit anführt und das ist Erfahrung aus der Zwischenkriegszeit,

dass eine zu starke und zu ungleiche Verteilung des Wohlstandes die Stabilität der Marktwirtschaft selbst bedroht.

Weil, so Müller-Ahmags Argument, wenn der Wohlstand zu ungleich verteilt ist, die Vermögens- und Einkommensverhältnisse zu sehr auseinander klaffen,

Teil einer Videoserie :

Zugänglich über

Offener Zugang

Dauer

01:28:40 Min

Aufnahmedatum

2014-04-15

Hochgeladen am

2014-04-15 13:38:45

Sprache

de-DE

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